Wer bitte ist Jens Meyer-Aurich?

Meyer-Bindestrich, oder: warum Jens Meyer-Aurich und Jens Meyer-Wellmann sich nichts nehmen

Gefühl ist seit Heinrich Faust bekanntlich alles, ein Name dagegen bloß Schall und Rauch. Das stimmt bis heute. Jedenfalls wenn Sie als Deutscher Peter Müller, als Türke Ali Yilmaz oder als Chinese Wang oder Chang heißen. Jens Meyer ist auch nicht besser.

Als ich in den 1970er Jahren die fünfte Klasse besuchte, kam im Mathematikunterricht der niedersächsischen Orientierungsstufe eine seltsame Methode namens Mengenlehre zum Einsatz. Ich hatte dabei wegen meines Namens Jens Meyer immer die zweifelhafte Ehre als Erklärbeispiel für die „Schnittmenge“ zu dienen.

In meiner Klasse gab es nämlich drei Schüler, die mit Nachnamen Meyer hießen, außerdem drei Jungs mit dem Vornamen Jens. Da ich zu beiden Gruppen gehörte, war ich die Schnittmenge. Mit dem Namen Jean-Theobald vom Klunkerbunker wäre mir das nicht passiert. Aber das war mir wurscht, und ich lebte jahrezehntelang glücklich und zufrieden mit meiner Verwechselbarkeit und meinem Schnittmengen-Dasein.

Und dann war er auch noch Werder-Fan

Dann aber wurde ich Journalist. Und ausgerechnet in der Redaktion, in der ich nach einer Weile zu arbeiten begann, gab es einen anderen Jens Meyer, nur ein paar Jahre älter, einige hundert Gramm schwerer als ich, Sport- und Chefreporter – und dazu auch noch Werder-Bremen-Fan. Also mussten wir uns etwas überlegen. Denn natürlich wollte der erfahrene Jens Meyer nicht, dass er für amateurhafte Texte eines Anfängers wie Jens Meyer gerade stehen musste. Und ich wollte alles Mögliche, nur bitte niemals mit einem Werder-Bremen-Fan verwechselt werden.

Die einfachste Lösung zur Abgrenzung: ein Bindestrich. Also bastelte ich mir einen -Wellmann an meinen Meyer hinten dran und publizierte fortan als Jens Meyer-Wellmann. (Da ich längere Zeit in Südamerika gelebt hatte, wo der Geburtsname der Mutter ohnedies stets mit in den Papieren steht, erschien mir mein neuer Doppelname als geradezu natürlich.)

Der andere Jens Meyer versuchte dann noch, mich mittels Essenseinladung zu überreden, doch ganz auf mein Meyer zu verzichten und mich nur noch Jens Wellmann zu nennen. Das aber hätte mich womöglich in eine echte Identitätskrise gestürzt, und ich lehnte ab. Also nannte sich gezwungenermaßem auch der liebe Kollege um – und firmiert seither als Jens Meyer-Odewald.

Die digitale Diktatur kennt keinen Wellmann

Aber das war noch nicht alles. Es wurde noch viel komplizierter, und wie immer, wenn es richtig kompliziert wird, hat das mit der Liebe zu tun. Ich verliebte mich in eine wunderschöne, kluge Frau mit sehr lautem Lachen, die mit Nachnamen Aurich hieß. Und nicht nur das. Ich heiratete sie auch gleich, nahm vor blinder Liebe ihren Namen an, und in meinem Personalausweis steht seither Jens Meyer-Aurich.

Damit bin ich nun zwar auch amtlich kein Schnittmengen-Typ mehr. Bei der Zeitung aber behielt ich, um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften, den Namen Jens Meyer-Wellmann bei. So stand ich im Impressum, so zeichnete ich meine Artikel und so moderierte ich hin und wieder eine kleine Fernseh-Talkshow.

Nur beim Empfang im Hamburger Verlagshaus wollten sie mir den Meyer-Wellmann einfach nicht mehr durchgehen lassen. Denn die Datenbank der Damen und Herren Eingangskontrolleure wird regelmäßig direkt und digital aus der Personalabteilung aktualisiert. Und dort hieß ich ja jetzt Jens Meyer-Aurich. Was dazu führte, dass Interviewgäste, die am Empfang nach mir fragten, die Auskunft erhielten, ein Jens Meyer-Wellmann existiere nicht. Was ja genau genommen auch stimmte.

Universitäten haben für solche Fragen Gutachter

Ich habe dieses Problem bis heute nicht lösen können, dafür aber ein anderes. Von der Universität Hamburg habe ich sicherheitshalber klären lassen, ob ich den Doktortitel, den ich dort Mitte der 2000er-Jahre durch eine eigenständig verfasste Arbeit erwarb, auch mit meinem, ähem, Künstlernamen nutzen und zum Beispiel ins Zeitungsimpressum oder auf Visitenkarten drucken lassen darf. (Ich bin kein Anhänger doofer Titelhuberei, aber ich hatte auch keine Lust, mir sinnlosen Stress einzuhandeln, weil ich mich als gar nicht existierender Jens Meyer-Wellmann mit einem Dr. schmückte, das nur ein gewisser Jens Meyer-Aurich vor seinen Namen schreiben durfte.)

Aber die Antwort der Uni-Rechtsabteilung fiel deutlich aus: Nein, das alles sei kein Problem, denn der Titel gehöre zum Menschen und nicht zum Namen. Falls ich mich also übermorgen Klunkerbunker nennen wollte, wäre auch Jean-Theobald schlagartig promoviert.

„Ich habe keinen Namen dafür!“

So oder so, es stimmt natürlich, ich hätte mir viel von all diesem Stress ersparen und obendrein dazu beitragen können, die Welt ein wenig übersichtlicher zu machen. Dazu hätte ich einfach nur eine Frau Wellmann heiraten müssen. Dann hätte ich nie wieder etwas erklären müssen. Ging aber nicht. Es konnte nur die Aurich für mich geben.

Und mal ehrlich, Heinrich hat doch Recht:

„Wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann, wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch.“

Dies ist übrigens ein  Text für Suchmaschinen. Niemand muss ihn lesen. Er soll nur ein für allemal in diesem Internet klarstellen: Jens Meyer-Aurich = Jens Meyer-Wellmann. Schnittmenge: Jens Meyer. Und Olaf Scholz kommt in diesem Text gar nicht vor. Weiß Gott, warum er auf dem Foto mit Jens Meyer-Aurich-Wellmann zu sehen ist.